Wie schreiben wir eine Dorfgeschichte ?
Jedes Volk hat seine Geschichte, auf die es mit Stolz und Freude zurückblickt.
Seine Geschichte ist der Ausdruck seines Willens, seiner Eigenart, seines Lebens überhaupt.
Und wie jedes Volk, so hat auch jedes Dorf, mag es noch so klein, schlicht und einfach sein, seine Geschichte.
Das volle, reiche Dorf- und Heimatleben mit seinen starken Gewalten ist angefüllt mit geschichtlichen Ausdrucks formen.
Zwischen Entstehung und Entwickelung eines Dorfes bis in die Gegenwart hinein liegen Jahrhunderte mit tiefgreifenden Geschehnissen!
Sie formten und schufen Geschichte.
Hundert- und tausendfältig wie die Züge im Antlitz eines Menschen sind die Ausdrucksformen des Gesichts der heimatlichen Landschaft.
Die heimische Natur, das heimische Erwerbs- und Wirtschaftsleben, uralte Sitten und uraltes Brauchtum vermitteln lebenswahre Bilder aus grauer Vorzeit, von unsern Vorfahren, deren Wirken und Wollen!
Es ist die Heimat die Dorfheimat, die uns grüßt und kennt als ihre Kinder!
Es ist ein besonderes Vorrecht, wenn man ein schlichtes Dorf als seinen Geburtsort bezeichnen darf, darin aufwuchs und dörfliche Eigenart kennen lernen durfte!
Die Heimat macht den Menschen gesund und stark an Leib und Seele; in ihr ruhen lebenspendende Kräfte, Liebe zu Haus und Hof, zur heimatlichen Scholle, zu Volk und Volkstum.
Für den Heimatforscher ist es eine interessante und dankbare Aufgabe, die Geschichte seines Heimatdorfes in ihren Einzelheiten zu erforschen und in zusammenfassender Form niederzulegen.
Alles, was das Bild und den Ausdruck "Heimat" formen und gestalten hilft, ist ein Bestandteil des heimatlichen Lebens: Menschen, Haus und. Hof und Garten, Kirche, Schule, Friedhof und Denkmäler, Wiesen, Felder und Wälder, Tiere und Pflanzen, Hügel und Täler, Flüsse und Bäche, Regen, Sonne und Wind, Eis und Schnee, Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Feste und Alltag, Geschichte und Sage.
Die Erschließung der bereits vorhandenen archivarischen Quellen (alte Urkunden privaten und amtlichen Charakters; Kirchenbücher; Heimatmuseen; Orts-, Kreis-, Landes- und Staatsarchive usw. muss vor ausgesetzt werden; sie bildet eine wertvolle Grundlage, auf der weiter aufgebaut werden. kann.
Alle erfassbaren historischen, geologischen naturkundlichen, wirtschaftlichen und volkskundlichen Quellen sofern sich das nur irgend ermöglichen lässt, Berücksichtigung finden, um ein möglichst genaues und in der Darstellung vollständiges Geschichtsbild zu erhalten.
Die Erforschung der Heimatgeschichte bis in ihre Einzelheiten hinein verlangt zwar wissenschaftliche Arbeit, aber sie braucht nicht wissenschaftlich im Ausdruck in die Erscheinung zu treten.
Eine allgemeinverständliche Abfassung der Dorfgeschichte ist daher ein Erfordernis.
Es sind für notwendig gehalten, dass die Forscherarbeit späteren Generationen als wertvolles Geschichtsdokument erhalten bleibt und dass vor allen Dingen den.
Einwohnern ihre Ortsgeschichte zugänglich gemacht. wird.
Dorf- und Heimatabende sind dafür beliebte Gelegenheiten.
In Volksstück mit heimat- dörflicher Tendenz würde einem Dorfabende, von der Gemeindeverwaltung oder der Schule veranstaltet, eine besondere Note verleihen.
Der örtliche Gesangverein könnten zur Ausgestaltung des Heimatabends herangezogen werden.
Ein Heimat- und volkskundlicher Vortrag aus berufenem Munde müsste den Mittelpunkt des Abends bilden.
Die Lage des Dorfes
Offensen ist an der Schwülme gelegen, einem Bache, der die südlichen Erhebungen (die Bramburg) des Sollings umfließt, somit die Grenze zwischen dem Solling und den nördlichen Ausläufern des Bramwaldes zieht und sich bei Lippoldsberg in die Weser ergießt.
Offensen gehört zu Niedersachsen, das hier im Süden hart an das Hessenland grenzt.
Offensen wird geophysikalisch durch den 510 36' nördlicher Breite
und
90 40' östlicher Länge bestimmt
und hat eine Höhenlage von 153,226 m über Normal Null (N.N.).
Offensen gehört als Sollingrandgemeinde zum Altkreis Uslar, der allerdings mit Wirkung vom 30.9.1952 aufgelöst und mit dem Kreis Northeim zum Großkreis Northeim zusammengeschlossen wurde.
Der vormalige Kreis Uslar wurde am 1.4.1885 aus den Ämtern Uslar und Adelebsen als selbständiger Kreis Uslar gebildet.
Schon im Jahre 1859 wurde das Amt Adelebsen mit dem Amt Uslar zu einer einheitlichen Amtsverwaltung verbunden.
Das Gebiet des Kreises Uslar war um das Jahr 1800 unter die Ämter Uslar, Adelebsen Nienover und Lauenförde aufgeteilt.
Das Amt Lauenförde wurde um 1820 mit dem Amt Nienover vereinigt, und dieses vereinigte "Amt Nienover - Lauenförde" wurde im Jahre 1852 mit dem Amt Uslar vollkommen zusammengelegt.
Auch die hessischen Ortschaften östlich des Reinhardswaldes - auf dem rechten Weserufer - gehörten im Mittelalter zum Gebiet des heutigen Niedersachsen, und zwar zur Grafschaft Dassel.
Infolge stückweisen Verkaufs und infolge dynastischer Auseinandersetzungen wurde dieses Gebiet von Hannover bzw. Niedersachsen abgetrennt.
Offensen liegt an der eingleisigen, aber vollspurigen Bahnlinie Göttingen – Adelebsen - Bodenfelde, die in den Jahren 1809 und 1910 erbaut und am 15. August 1910 dem Verkehr übergeben wurde.
Zudem führt die Landstraße I. Ordnung Göttingen - Adelebsen - Uslar - Lauenförde bzw. Dassel durch, Offensen.
Dadurch ist die günstige Verkehrslage von Offensen - durch Bahn- und Busverbindung gekennzeichnet.
Die Beschäftigung der Bewohner
In Offensen wird vornehmlich Land-, Wiesen- und Waldwirtschaft betrieben.
Außerdem verfügt es über eine bedeutende Anzahl größerer Privatwaldungen.
In seiner Nähe liegt das Basaltwerk Bramburg.
1933 hatte Offensen 458 Einwohner und seine Feldmark betrug 629 ha.
Beharrlicher Fleiß und zäher Wille haben es dem bodenständigen Bauerntum ermöglicht, den Ackerbau und die Viehzucht trotz der schwierigen Verhältnisse zu einer ansehnlichen Höhe zu bringen.
Die Vegetationszeit ist kürzer als in den Weser- und Leineniederungen; denn im Frühjahr beginnt des Wachstum und die Ackerei 8 bis 14 Tage später und endet im Herbst um die gleiche Zeit früher als dort.
Die restliche Bevölkerung findet lohnende Beschäftigung in den Städten Göttingen und Uslar.
Verschiedenes aus Offensen
Die im Dezember eines jeden Jahres stattfindende Viehzählung ergab für:
Tier | 1952 | 1953 | 1954 | 1955 | 1956 | 1958 | 1959 | 1960 |
Schweine | 883 | 823 | 881 | 972 | 804 | 866 | 866 | 897 |
Pferde | 59 | 58 | 55 | 50 | 50 | 52 | 53 | 52 |
Rindvieh | 372 | 377 | 373 | 361 | 372 | 387 | 392 | 423 |
Schafe | 138 | 117 | 105 | 112 | 82 | 36 | 23 | 24 |
Ziegen | 99 | 89 | 91 | 77 | 83 | 66 | 59 | 57 |
Hühner | 958 | 989 | 861 | 913 | 1009 | 1045 | 1107 | 1080 |
Gänse | 141 | 150 | 134 | 96 | 114 | 72 | 73 | 59 |
Enten | 12 | 21 | 19 | 20 | 19 | 16 | 24 | 18 |
Perlhühner | 0 | 0 | 0 | 3 | 2 | 0 | 5 | 15 |
Bienenstöcke | 73 | 77 | 54 | 32 | 39 | 43 | 42 | 69 |
Die Volkszählung ergab für Offensen in den Jahren 1939 – 1961
folgende Einwohnerzahl:
1939 | 452 |
1946 | 919 |
1949 | 936 |
1950 | 888 |
1951 | 888 |
1952 | 787 |
1953 | 752 |
1954 | 734 |
1955 | 686 |
1956 | 646 |
1957 | 622 |
1958 | 591 |
1959 | 581 |
1960 | 560 |
1961 | 526 |
Kirchturmerneuerung:
Im Jahre 1950 wurde der Kirchturm, weil manche Schieferplatten morsch, andere abgefallen, es an einigen Stellen durchregnete und des Holzes zu faulen begann, neu gedeckt.
Im Knauf des Turmes nichts vorgefunden (Urkunden, Münzen oder dergleichen).
Am 13.02.1951 konnte die Dorfbeleuchtung wieder eingeschaltet werden, nachdem die elektrische Stromleitung im Ortsnetz umgeblaut worden war.
Im Jahre 1920 war die elektrische Leitung - von Adelebsen kommend - bis zum Bramburger Weg fertig gestellt.
Im März desselben Jahres war die meisten Häuser des Dorfes an die Lichtleitung angeschlossen.
Am 09. November 1920 erstrahlte Offensen zum ersten Male im elektrischen Lichte.
Im Zuge großzügiger und umfangreicher Instandsetzung des Dorfstraßennetzes durch die Firma Kitz, Uslar, erhielten die Straßen eine Teerdecke, nachdem die Kanalisation teilweise verbessert und die Kirchstraße begradigt worden war.
Die Straßenbauarbeiten durch die Firma Kitz, Uslar, wurden am 22.August 1956 beendet.
Aus der Erdgeschichte der Heimat
Die erste Urkunde, mit der sich der Heimatforscher zu befassen hat, müsste eigentlich in der Erde selbst zu suchen sein.
Berge und Täler und der Mutterboden berichten eine Geschichte, die Hunderttausende, ja Millionen von Jahren umfasst.
Das Gebiet um Offensen ist in geologischer Hinsicht ein Teil der Buntsandsteinlandschaft des Sollings.
Schichten der mittleren und obern Buntsandsteinformationen bilden in den Tälern bei weitem den größten Teil dieses Gebietes.
Jedoch sind die Sandsteinfelsen nur spärlich entwickelt, sie treten da zutage, wo schnelle und reißende Bäche tiefe Sandsteintäler gegraben haben.
Aufschlüsse findet man in den Steinbrüchen beim Schützenhause.
Überall, wo die Denudation (Wasser, Eis, Luft, Wind und Sonne) verwitternd auf den mittleren Buntsandstein eingewirkt hat, bildete sich ein tonreicher Sandboden, Lehm genannt.
Auf der höher gelegen Feldern tritt die Verwitterung des Buntsandsteins als sandiger, trockener Boden auf.
An vieler Stellen der Feldmark findet sich in dessen fruchtbarer Lößboden.
Ansonsten haben unser Buntsandstein und seine Überlagerungen aus spätern erdgeschichtlichen Perioden kalkarmen lehmigen Sand oder sandigen Lehm.
Das ist ein Boden gutmittleren Wertes, der bei Feuchtigkeit und Trockenheit einigermaßen zuverlässig ist.
Anmerkung:
Die Gesteinsschicht "Buntsandstein" wird schon vom Namen her gekennzeichnet.
Bunter Sandstein heißt er, weil er als braunroter, weißgrauer und grünlicher vorkommt.
Wie überall, so ist euch bei uns das Buntsandstein – Waldgebiet wasserreich.
Unzählige Quellen vereinigen sich und fließen als Rinnsale dem Tale zu (Bremkertal).
Die Quellgebiete der Bäche geben vielfach Gelegenheit zur Bildung von Erlenbrüchen, Sumpfwiesen, ja selbst kleinen Hochmooren, sofort kenntlich durch das häufig und
massenhafte Auftreten der Sphagnum - Arten (Torfmoos).
Das alles sind die günstigen Vorbedingungen für den Waldbau.
Daher ist denn auch das ganze Gebirge mit herrlichen Waldungen bestanden.
Der weit ausgedehnte Buchenwald wechselt mit dem in neuerer Zeit angepflanzten Fichtenwalde.
Und zur Abrundung der Erdgeschichte unserer Heimat sei erwähnt, dass im Osten der Basaltberg, die Bramburg, zu uns herüberschaut.
Sie erzählt natürlich ihre eigene Geschichte.
Unsere Wälder
Da die Offenser Feldmark rings von rauschenden Wäldern umgeben ist, ist eine kurze Betrachtung über die geschichtliche Entstehung des Waldes, seine Behandlung in dem Zeitgeschehen und seinen Wert und seine Bedeutung geboten.
Der heutige Wald entstand vor etwa 25 000 Jahren.
In den vorangegangenen Eiszeiten war alles pflanzliche Leben gestorben.
Als erste samten sich, nachdem Moose, Flechten und Zwergsträucher als Pioniere den Boden vorbereitet hatten, Kiefer und. Birke ein, begleitet von der Haselnuss.
Als es wärmer wurde, folgten Eiche und Fichte, als letzte stellten sich die wärmebedürftigeren Tanne und Buche ein (Jüngere Steinzeit).
Die schnellwüchsige Buche ersetzte in weiten Bezirken den Eichenwald, so dass sie in der Bronzezeit bereits der vorherrschende Baum war.
Der Kampf der Baumsorten endete im allgemeinen so, dass jede Baumart sich dort behauptete, wo gerade für sie die günstigsten Lebensbedingungen bestanden, und so verdichteten sich die verschiedenen Wälder allmählich bis zur Undurchdringlichkeit (Tacitus).
Trockene Höhen aber glichen nach wie vor steppenartigen Landschaften.
Von diesen waldfreien Gebieten aus hat dann der Mensch neues Siedlungsland erobert, indem er undurchdringliche Auewälder rodete und dann sein Getreide säte.
Die erste größere Rodungszeit fällt in die Zeit vom 6. bis 10. Jahrhundert, besonders in die Zeit der Karolinger, eine zweite und größere in das 13. und 14. Jahrhundert.
Im 14. Jahrhundert war die Verteilung von Wald und unbewaldeter Fläche etwa so wie heute.
Dass Laubholz aber überwog. Der Wald spielte in der damaligen Volkswirtschaft eine weit größere Tolle als heute und schien zudem im Verhältnis zu der geringen Bevölkerungsdichte schier unerschöpflich zu sein.
Er lieferte nicht nur Holz, Wild und Früchte.
Größer waren die Erträge der Waldweide und der Schweinemast.
Erst im 18.Jahrhundert wurden die beiden letzteren Nutzungsarten stark eingeschränkt, wobei allerdings das Bekanntwerden mit der Kartoffel mitgespielt hat.
Gewaltigen Abbruch tat dem Walde die Zeit des Dreißigjährigen Krieges durch Brandschatzung und rücksichtslose Ausbeutung.
Wohl wurde in der folgenden Zeit manche aufgegebene Siedlung - wie Bremke, Friwohle, Behrensen, Reinhardeshagen, Arflexen in unserer Nähe - vom Walde zurückerobert; dafür aber drohte dem Walde eine neue Gefahr, als die Geldnot der Fürsten und Gemeinden eine rettende Finanzquelle im Walde sah, auch dass aufstrebende Gewerbe immer höhere Anforderungen stellte.
Die Tuchindustrie, die Glasshütten, die Eisenhütten, die Salz- und Seifensieder, die Pottaschenbrenner- alle benötigten Holz.
Zu diesem Holzverbrauch kam die Verwendung der Waldbodendecke als Streu in den Ställen.
Auch im 19. Jahrhundert folgte denn noch einmal eine Zeit verstärkten Holzeinschlages, deren Folgen sich bald. in häufiger werdenden Hochwasserschäden bzw. in bedenklicher Wasserarmut in Trockenjahren bemerkbar machten.
Inzwischen war die Zeit zu einer planvollen Forstwirtschaft herangereift.
Große Flächen wurden wieder aufgeforstet.
Nadelhölzern gab man aus Rentabilitätsgründen dem Vorzug, da deren Umtriebszeit mit etwa 75 Jahren erheblich kürzer ist als die der Laubbäume, die zur Schlagreife ein Alter von 120 bis 140 Jahren erfordern.
Im 20. Jahrhundert entwickelte die vertiefte Einsicht in die Lebensgesetze des Waldes die Lehre vom Dauerwalde.
So wurde der Mischwald die Forderung des Forstmannes, der allein gibt die Gewähr für die Gesunderhaltung der Bestände.
Ehe sich diese Zielsetzung überall durchsetzte, kam die Zeit der beiden Kriege, die wiederum zu vermehrten Eingriffen in die Substanz des Waldes führte.
Besonders nach dem 2. Weltkriege erreichte dieser Raubbau Ausmaße, die man bisher in Deutschland nicht gekannt hat.
Ein Zehntel unseres Waldbestandes wurde abgeschlagen (Kahlschläge).
Um die nachfolgenden unheimlichen Schäden für die Volkswirtschaft zu verhüten, gab es nur ein Mittel: die Neuaufforstung.
Die hierfür verantwortlichen Männer bitten um Verständnis der Jugend bei den Waldpflegearbeiten.Wir leisten daher der Jugend einen hohen erzieherischen Dienst, wenn wir sie anhalten, an diesem Werke für die Zukunft selbst mitzuwirken.
Eine großartige Gelegenheit dazu findet sie beim Einsatz im Walde, besondere im eigenem Schulwalde.
Soll dieser Einsatz fruchtbringend sein, muss er im Unterricht vorbereitet werden.
Der unter Anleitung des Forstmannes angelegte Schulwald - die Gemeinde stellte freudig ein Gelände dafür zur Verfügung - muss weiterhin. gepflegt werden.
Die Pflege des Waldes- das Kinderherz ist dafür leicht zu gewinnen - fördert die Liebe zu allem Schönen (Vogelschutz, Wildbeobachtung usw.).
Alles das wirkt auf das Gemüt der empfindlichen Jugend.
Die Werte des Gemütes aber sind Voraussetzung für ein glückliches Gedeihen aller.
Wo nur der kalte Verstand herrscht, da gedeiht kein zufriedenes Geschlecht.
Wir brauchen daher viel schöne und große Wälder; nicht nur, damit unsere Felder fruchtbar bleiben und wir im Winter den Ofen heizen können, sondern dass wir uns alle ein gutes Herz bewahren und freudig in die Zukunft schauen können.
Am 24. April 1952, dem „Tag des Baumes“, wurde die Spitze des Dreiecks, das durch die Straße Offensen - Adelebsen und den Weg zum Schützenhaus gebildet wird, mit 200 Fichten bepflanzt und dadurch der "Schulwald" angelegt.
Dieser Aufgabe unterzog sich die Oberstufe der Volksschule unter der Aufsicht ihres Lehrers.
Auch in den folgenden Jahren wurde der Schulwald von größeren Kindern gepflegt.
Es wurden Steine abgelesen, lästige Ranken und Sträucher entfernt und eingegangene Fichtenpflänzlinge durch andere ersetzt.
Die Pflanzenwelt
Die Bodenflora unserer Wälder ist, wie überall auf dem Buntsandstein, arm zu nennen.
Weite Flächen im Buchenwalde werden von der Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) bedeckt; besonders charakteristisch sind dann noch der Adlerfarn (Pteridium aquilinum), der gelbe Ginster (Genista tinktoria), Besenginster genannt, Salbei - Gamander (Teucrium scorodonia) Wachtelweizen (Melampyrum praetense), Katzenpfötchen (Gnaphalium dioicum) am Rande der Wälder die Heide (Calluna vulgaris) und in den feuchten Gräben die Simse (Scirpus paluster) und der Sonnentau (Drosera rotundifolia).
Die Gruppe der Kryptogamen in Gestalt von Moosen und Pilzen ist besonders stark zu beobachten.
Die Tierwelt
Infolge des Waldreichtums ist der Bestand an jagdbarem Wild ziemlich bedeutend.
Außer Rehen, Hasen und Wildschweinen werden Füchse und Dachse erlegt.
Hin und wieder kann man die Haselmaus beobachten.
Verhältnismäßig viel finden sich Marder, Iltis, Wiesel - und Eichhörnchen.
Aus der Vogelwelt findet an als Seltenheit den scheuen Tannenhäher und in wenigen Exemplaren den farbenprächtigen Eisvogel.
Von den Raubvögeln ist der Mäusebussard, der Hühnerhabicht, der Sperber, Wald- und Steinkauz und die Waldohreule zu nennen.
Unter den Spechten kommt selten der Schwarzspecht vor, der Buntspecht reichlich.
Der Grünspecht wagt sich häufig bis ins Dorf hinein.
Abgesehen von den häufigsten Vogelarten möchte ich hier noch einige aufzählen, die durch auffallende Eigentümlichkeiten in Farbe, Gesang und Lebensweise Interesse erwecken:
der Stieglitz in seinem buntfarbigen Kleide, Grünfink und Gimpel, die sich oft scharenweise umher treiben, die Grauammer mit ihrem eintönig klagenden Pfiff, die dem Sperling ähnlich sehende Heckenbraunelle, die Heidelerche mit ihrem schrägen Aufflug und den schraubenwindigen Abwärtsfliegen, der Waldlaubsänger mit seinem unruhigen Wesen im Blätterwerk der niedrigen Bäume, die gelbe Bachstelze als einer der schönsten Vögel, die Singdrossel als herrlichster Sänger unserer Wälder, daneben die Wacholderdrossel, die heimtückischen Mörder: der rotrückige und der große Würger, die Blau- und Kohlmeise mit ihrem im Lauf des Jahres wechselnden Gesang.
Holz- und Turteltaube treiben im Wald ihr lautes Leben, im Dorf der zierliche Fliegenschnäpper.
Fischreiher sind in einzigen Exemplaren auf den Schwülmewiesen zu erspähen.
Die Elster schreit am Ehrenmale hinter der Bahnline.
Der Storch ist äußerst seltener Gast im Schwülmetal.
Spinnen und Weben unserer Vorfahren
nach A. Riemenschneider im Schoninger Dorfbuch 1961.
In alten Zeiten gab es hier im Solling nur wenige Handelswege, so dass nur selten Händler in die abgelegenen Ortschaften kamen.
Da war jeder Hausvater auf sich selbst gestellt.
Es musste nicht nur die Nahrung für die Familie beschafft werden, sondern auch Kleidung.
An Stelle der Tierfelle traten schon frühzeitig Erzeugnisse aus Wolle und aus Flachs.
Die anfangs nur mit der Hand gedrehten Fäden wurden bald mit Hilfe sich drehender Spindeln hergestellt.
Ein großer Fortschritt war das mit dem Fuße tretbare Spinnrad, wie es bis zum 1.Weltkrieg in jedem Hause noch benutzt wurde.
Um die Wolle der Schafe fürs Spinnen vorzubereiten, musste sie gewaschen und gekämmt werden.
Nur dann konnten die Fäden schön glatt und die schlechten und kurzen ausgeschieden werden.
Die Arbeit des Kämmens wurde von gelernten Wollkämmern mit besonderen Geräten im Hause des Wollbesitzers ausgeführt.
Diese Wollkämmer waren fast alle Handwerker, die im Winter ohne Arbeit waren.
Durch das Wollkämmen brachten sie sich gut über die sonst hungrigen Monate hinweg.
Um die Wollsachen farbig zu machen, vor allem blau, färbte man die Wolle selbst.
Dazu wurde Indigo in menschlichem Urin aufgelöst, die Wolle in einem großen irdenen Topf gedrückt und mit der Lösung übergossen bis alle Wolle damit bedeckt war.
Dieser Topf wurde zugedeckt in den warmen Misthaufen gestellt und vollständig mit Dung bedeckt.
Nach einer bestimmten Zeit war die Wolle blau geworden: die Färbung war fertig und dauerhaft.
Neben dieser billigen Hausmacherfärberei gab es auch ein Färberhandwerk, das im Solling noch vielerorts bis 1914 betrieben wurde. (Siehe die Druckstöcke der Blaufärberei Hoppe im Uslarer Heimatmuseum).
Wesentlich schwieriger war die Vorbereitung der Flachsfaser zum Spinnen.
Ungefähr bis 1900 war es im Solling üblich, dass jeder Haushalt den Flachs anbaute, deren Ertrag zur Ergänzung des Leinenbedarfs nötig war.
Um eine saubere Flachsernte zu haben, musste das Feld von Unkraut frei gehalten werden.
Es wurde abgeerntet, bevor die Samenkapseln reif waren. Dadurch gewann man eine feinere Faser.
Aus diesem Grunde musste die Leinsaat aus dem Auslande, besonders aus dem damals russischen Ostseeprovinzen eingeführt werden (1790).
Das Kurfürstentum Hannover musste für die Einfuhr von 9 720 Zentnern 200 000 Taler ausgeben.
Diese Menge Saatgut gibt uns einen Begriff von dem Umfang des Flachsanbaus.
So belief sich um 1840 die Gesamtausfuhr von deutschen Leinen, u.a. nach Übersee auf mindestens 16 Mill. Taler.
Beim Ernten des Flachses wurden die Pflanzen mit der Hand ausgezogen und in kleine Bündel gebunden.
Das war Frauenarbeit.
Dabei wurde auch mal ein Schnaps eingeschenkt, um die Stimmung bei der Arbeit zu heben.
War alles eingebündelt, so wurde der Flachs auf den Wagen geladen und nach Hause gefahren.
Es war gegen die Sitte, dass sich die Frauen auf das Flachsfuder setzten.
Taten sie es doch, so mussten sie es sich gefallen lassen, dass sie bei der Fahrt durchs das Dorf häufig mit Wasser begossen wurden!
Auf der Scheune zu Hause wurde abgeladen.
Quer über die Scheune war in 1 m Höhe ein Tannenstamm eingeklemmt, auf den ein etwa 1 m langer Eisenkamm saß, der etwa 30 cm lange Zinken hatte. Durch diesen Kamm wurde nun der Flachs gezogen, um ihn von den Samenkapseln zu befreien.
Der aus den getrockneten Kapseln gewonnene Leinsamen wurde außer den benötigten Saatgut zur Ölmühle gebracht.
Dieses Leinöl diente bis zur Einführung des Petroleums zur Füllung der Öllampen, die in Haus und Stall gebraucht wurden.
Die Flachsbündel brachte man in die " Rotten".
Das waren etwa 1 m tiefe Erdgruben mit stehendem Wasser.
In diese Gruben wurden die Flachsbündel gepackt und so beschwert, dass sie ganz von Wasser bedeckt waren.
In dem stehenden Wasser fingen die Pflanzen bald an zu faulen, was ja beabsichtigt war; denn erst durch diesen 8 - 10 Tage dauernden Vorgang war es nachher möglich, die wertvollen Flachsfasern, denen das Rotten nichts schadete, von dem holzigen Stängel zu lösen und zu trennen.
Die ausgewaschenen Bündel wurden auf dem Felde getrocknet und bis zur Weiterverarbeitung auf den Haus- oder Scheunenboden gebracht.
Wenn die Außenarbeit es erlaubte, ging man daran, die Fasern von dem Holzstängel zu trennen.
Dies geschah auf mehrfache Weise.
Zuerst musste der Stängel gebrochen werden.
Auf der "Breeke" (Breche), einem Gerät mit mehreren ineinander schlagenden Holzleisten, wurden die dazwischen gehaltenen Flachsstängel gebrochen, so dass ein großer Teil von den Fasern abfiel (Anfang des 20.Jahrh.).
Wurde diese Arbeit schon von ineinandergreifenden Walzen gemacht, die so ähnlich gebaut waren wie bei einer Wäschemangel.
Die abfallenden holzigen Stängelteilchen nannte man " Schewe".
Sie wurde von den Maurern als Zusatz zum Lehmputz gebraucht und zu diesem Zwecke sogar bis nach Göttingen gefahren.
Die Flachsfasern mussten nun noch weiter gereinigt werden.
Zunächst benutzte man das sogenannte "Schwinbrett".
Das war ein hochstehendes Brett mit einem Ausschnitt die in dem Ausschnitt gelegte Handvoll Flachs wurde mit einem anderen Brett hochkantig geschlagen, so dass nun fast alles Holzige abfiel.
Damit waren die Flachsfasern aber noch nicht spinnfertig.
Dazu mussten sie noch durch die verschiedenen "Hecheln" gezogen werden.
Die Hechel war ein 20 x 20 cm großes, 8 cm hohes Holzstück, auf dem dicht an dicht 10 - 12 cm lange, ganz spitze Stahlstangen hoch standen.
Durch diese Hecheltinnen wurde eine Handvoll Flachs so lange gezogen, bis alle kurzen und quer liegenden Fäden in dem Spitzengewirr hängen blieben und die Hand nur noch gleichmäßig lange glatt nebeneinander liegende Fäden hielt.
Diese Arbeit musste zweimal gemacht werden.
Erst auf der groben, dann auf der Feinhechel.
Der Abfall bei der ersten Arbeit, war die Grobhede.
Bei der Zweiten die Feinhede.
Aus der Grobhede machten die Seiler Stricke und Taue.
Die Feinhede wurde zum verspinnen und zum Weben von Sackleinen und Handtüchern gebraucht.
Der Flachs war nun spinnfertig.
In Bündeln zusammengedreht wurde er in Koffern aufbewahrt, um ihn vor Mäusen zu schützen.
Gesponnen wurde meist im Winter, wenn die Feldarbeit fertig war.
Die Hausarbeit wurde schnell fertig gemacht.
Dann setzten sich die Frauen an das Spinnrad.
Um eine 80 cm lange, gedrehte Stange, die auf dem unteren Drittel einen 5 cm vorstehenden Kranz hatte, wurde der Flachs zu der "Flaßdeiiße" gedreht, so dass der obere Teil spitz auslief, während der Wickel unten 25 - 30 cm breit war.
Durch diese fachmännischen Vorbereitungen lagen die langen Flachsfäden von oben nach unten glatt nebeneinander und konnten auf diese Weise beim Spinnen leicht mit der Hand ausgezogen und durch die Drehung der Spindel zum Faden gedreht werden.
Nun kam es auf die Kunst der Spinnerin an, durch starkes Ausziehen und langsame Drehung einen starken und weichen Faden oder durch dünnes Ausziehen und schnelle Drehung einen dünnen und doch starken Faden zu spinnen.
War die Spindel voll Garn, wurde sie vom Rag genommen und der Faden auf den Haspel gedreht.
Nach 90 Umdrehungen wurde ein kleiner Holzhammer ausgelöst.
Der zeigte an, dass ein "Bind" voll sei.
Ein Querfaden trennte nun jedes Bind von dem nächsten, ohne den Faden abzureißen.
12 Binde waren ein "Lopp".
Das waren die Maße für die Spinner und auch für den Weber.
Um an den langen Winterabenden das Müdewerden am Spinnrad zu verhindern,
gingen die Spinnerinnen, Frauen sowohl wie Mädchen zu 6 oder 7 Personen in die "Spinnstube" und zwar reihum.
Die Spinnerinnen saßen in der Stube im Kreis, um die in der Mitte von der Decke hängende Lampe, so dass jeder Licht hatte.
Wenn meine Mutter an der Reihe war, hieß es: " Heute Abend kommen die Frauen".
Dann wurde frühzeitig die Stallarbeit erledigt und schnell zu Abend gegessen, denn um 6 Uhr kamen schon die Spinnerinnen herein.
Sie blieben bis l0 Uhr dauernd spinnend, zusammen.
Nach Neujahr wurde eine kleine Kaffeepause eingelegt, in der das selbst gebackene Weißbrot gut schmeckte.
Die schulentlassenen Mädchen gingen im nächsten Winter auch in ihrem "Spinnetropp", so wie sie sich nach ihrer Arbeit zusammengefunden hatten.
In den meisten Fällen blieb dieser Tropp bis zur Verheiratung zusammen.
In die Spinnstuben der jungen Mädchen kamen zwischen 8 und 9 Uhr auch die jungen Burschen.
Da wurde viel gesungen.
Alle die alten Volkslieder blieben auf diese Weise Mädchen wie auch Burschen meist bis ins Alter im Gedächtnis.
Aber wehe, wenn sich einer vergangen hatte!
Er wurde scharf verurteilt, in den meisten Fällen aus dem "Tropp" ausgestoßen.
Es war für ein junges Mädchen eine Schande wenn es hieß: "Die haben sie ausgestoßen."
In diesem Zusammenhang habe ich, Georg Riemenschneider, es selbst erlebt, dass sich während eines solchen Zusammenseins in der Spinnstube,
die jungen Menschen kennenlernten und auch beurteilen, so dass die spätere Heirat nie ein Missgriff war.
Bis 1914 habe ich von einer Ehescheidung nie etwas gehört.
War das Spinnen die Arbeit der Frauen so war das Weben die Arbeit der Männer.
In jedem Bauernhause stand ein Webstuhle und jeder Bauer konnte weben.
Aber auch Bauhandwerker, die im Winter keinen Verdienst hatten, webten dann, entweder für sich oder auf fremde Rechnung.
So webte mein Vater, der Maurer war, bei den Bauern im Hause.
Er bekam volle Kost und pro Tag 2 Mark Lohn in einer Zeit, als der Maurer bei l0 Stunden Arbeitszeit 3 Mark verdiente.
Die Bauern brauchten viel Webwaren, da die Dienstmädchen zu ihrem Barlohn auch Leinewand für die Aussteuer erhielten.
Außer dem Barlohn erhielten die Dienstmädchen als Deputat eineinhalb Stiegen Leinen zu Leib - und Bettwäsche und eine halbe Stiege buntegewürfeltes Leinen zu Bettbezügen, 5 Ellen Beiderwand zu Winterkleidung und graues Leinen zu einer Sommerbluse.
Außerdem ein Paar Arbeitsschuhe und Lederpantoffeln.
Wenn ein Mädchen bis zu ihrer Verheiratung 6 - 8 Jahre so sein Deputat erhalten hatte, war der Anfang zur Ehe an Leinen zu Bett- und Leibwäsche für viele Jahre vorhanden.
Sollte im Winter mit dem Weben begonnen werden, musste erst das Garn, das zur Kette bestimmt war, auf Holzrollen gedreht werden.
Diese waren 30 cm lang und l0 cm dick.
Die Drechsler hatten an beiden Enden etwa 20 cm breite Kanten stehen lassen.
Dazwischen wurde auf der Drehbank das Holz so weit entfernt, daß zwischen beiden Enden nur eine 3 bis 4 cm starke Verbindung blieb.
In dieses wurde ein Loch gebohrt, so dass die Stangen wie ein Rad drehbar waren.
Auf diese Rollen, plattdeutsch "Peiipen" genannt, wurde auf dem Spulrad das Garn gedreht.
Das Garn, immer ein "Lopp", also immer eine Menge von 12 Bind, wurden auf eine drehbare Winde gelegt, der Anfangsfaden um die Rollen, das Spulrad mit der rechten Hand gedreht und so der Faden von der Winde auf die Rolle gebracht.
Vorher war ausgerechnet worden, wie viel Lopp und Bind man auf eine Rolle brauchte.
Zu einer Stiege Leinen, 80 cm breit wie es zu Leib- und Bettwäsche gebraucht wurde, waren 8 Lopp Schiergarn, zum Unterschied von dem weichen Schußgarn so genannt, nötig.
Sollten also, wie üblich 6 Stiegen gewebt werden, mussten 48 Lopp Garn auf die 20 Rollen gedreht werden.
War das fertig, musste das Garn von den Rollen um den Schierrahmen gedreht werden.
Dazu wurden die Konen in einen Holzrahmen gesteckt, so dass 10 übereinander und 2 nebeneinander auf dünnen Eichenstangen drehbar waren.
Dieses Gestell wurde an der Wand etwas hochgestellt.
Der in der Mitte der Stube aufgestellte Schierrahmen war ein 2,5m hohes Holzgestell, das, wenn es aufgestellt war, einen Umfang von 5 Ellen hatte.
Viermal um den Rahmen waren 20 Ellen, also eine Stige.
Das waren nach Metermaß 11,60 Meter.
Wollte man 6 Stiegen weben, mussten die Fäden also 24- mal um den Rahmen laufen.
Man nahm die 20 Fäden in die rechte Hand, hing sie oben an einen dazu vorstehenden Pflock und drehte mit der linken Hand den Schierrahmen, dabei darauf achtend, dass die Läden in einem solchen Abstand auf dem nahmen lagen, dass man nach 24maliger Umdrehung unten auf dem Rahmen ankam.
Nun wurde wieder an einen Pflock fest gehängt und rückwärts gedreht, dabei die Fäden genau auf die vorigen gelegt.
War man oben, so hatte man 40 Fäden.
Das war ein "Ging" oder "Gang".
Zu dem üblichen Leinen 80 cm breit brauchte man 34 Ging, also 34- mal 40 Fäden.
Also 34- mal mussten die 40 Fäden auf dem Rahmen liegen, damit es genug waren.
Jetzt wurden die Enden oben und unten zusammengebunden und abgenommen.
Dabei wurde das Garn wie eine Kette durcheinander gezogen, damit kein Wirrwarr entstand.
Der Webstuhl, plattdeutsch "Werketave", war aus starken Eichenbohlen gebaut, die beiden Längsseiten 2 m lang, am Sitzende 2 m hoch, am anderen Ende 1,50 m hoch.
Die 4 Querverbindungen wurden mit dem Zapfen in die Längsseiten geschoben und fest verkeilt.
Die Eichenbohlen hatten eine Breite von 30 bis 40 cm Dicke. An den kurzen Enden der Längsseiten war ein 18 cm dickes Rundholz auf 1,20 m von unten eingelegten de Garnnbohm", weil das Kettengarn auf diesen Garnbaum gedreht wurde.
Beim Aufdrehen mussten je 10 Fäden des Garns in derselben Reihenfolge, wie sie auf dem Schierrahmen gelegt waren, in einem breiten Kamm gelegt werden, der von dem Weber so gehalten wurde, dass alle Fäden gleichmäßig und fest auf dem Garnbaum lagen.
Nun wurde das Webgeschirr aufgehängt, so dass es in der Mitte des Webstuhles hing.
War das Webgeschirr schon einmal gebraucht, so befand sich noch der letzte Rest des alten Kettengarnes darin, an die nun die neuen Fäden angedreht wurden.
An den beiden Teilen des Webegeschirres hingen unten 2 Tretbretter, durch deren Auf- und Niedertreten auch ein Teil des Webgeschirres mit den Fäden auf- und nieder gezogen wurde.
Zwischen die hierdurch entstandene Öffnung zwischen den Kettenfäden wurde nun der Querfaden gezogen.
Dazu brauchte man die "schospaule".
Das war ein etwa 50 cm langes und 4- mal - 15 cm starkes Stück Holz dessen beiden Enden rund zugespitzt waren. In der Mitte befand sich eine 10 cm lange und 5 mal 15 cm tiefe Öffnung, in welche die Spulen mit den Querfäden eingespannt wurden.
Mit der rechten Hand warf man die "Schottspaule" oder Weberschiffchen, wie es auf hochdeutsch heißt, die Öffnung zwischen den Kettenfäden nach links, wo es mit der linken Hand aufgefangen wurde. Sofort trat das rechte Bein nach unten.
Damit ging der vordere Teil des Webegeschirres mit dem Kettengarn hoch das hintere nach unten, so dass vor dem Querfaden ein Kreuz entstand.
Nun schlug die rechte Hand mit der Kammlade gegen den Querfaden um ihn zusammenzudrücken.
Nun warf die linke Hand das Schiffchen nach rechts und so wiederholte sich es unentwegt.
Das aus Flachs gesponnene Kettengarn wurde vor dem weben auf dem Webstuhl mit einer aus gekochtem Roggenmehl hergestellten Brühe widerstandsfähiger gegen Reißen und Fasern gemacht.
War etwa 10 cm Stoff fertig, so wurde durch Lösen eines Widerstandes das Kettengarn vorgezogen, das fertige Stück um eine unten in der Mitte befindliche Rolle gedreht, so dass das Garn immer die richtige Spannung hatte.
So waren beim Weben Arme und Deine zugleich in dauernder Tätigkeit, und die Augen hatten alles genau zu beobachten, dass das Garn nicht riss, dass keine Fehler entstanden.
Die Spulen zu dem Weberschiffchen wurden auf dem Spulrad von größeren Kindern oder den alten Angehörigen gedreht.
Da gab es oft Ärger, wenn das Garn auf der Winde nicht ablaufen wollte, weil es durcheinandergeraten war. Nur Geduld konnte dann helfen.
Nach 1900 etwa wurde zum Kettengarn fast immer Baumwollgarn genommen.
Es war elastischer, riss selten und brauchte nicht wie das Leinengarn durch Mehlkleister Widerstandsfähiger gemacht werden.
Zum fertigen Weben der 6 Stiegen, also 120 Ellen oder 70 m brauchte man etwa 12 Arbeitstage zu je 10 Arbeitsstunden.
Das fertige Leinen wurde in Längen von 18 m abgeschnitten und zusammengelegt.
Es war zum Bleichen fertig.
Außer diesem Leinen, wie es zu Leib- und Bettwäsche gebraucht wurde, webte man zu Bettbezügen auch blau- und rotkariertes Leinen, bei dem der Weber die Querfäden genau zählen musste, damit die Karos gleichmäßig wurden.
Zur Arbeitskleidung webte man den Stoff 1 m breit, dazu wurde das Kettengarn blau gefärbt.
Auch das Garn zu den Querfäden wurde gefärbt, wenn der Stoff ganz blau werden sollte, z.B. zu Kitteln und Hosen für Männer und Schürzen; gestreift wurde er auch zu Sommerkleidern verwandt.
Für die Winterkleidung wurde zu den Querfäden Wollgarn gesponnen.
Dazu verwandte man die kurze und schlechte Wolle, die beim Kämmen zu Strumpfgarn abgefallen war.
Dieser aus halb Wolle und halb Leinen bestehende Stoff "Beiderwand genannt, war eine Winterkleidung, die dem Körper warm hielt und lange getragen werden konnte.
Das Leinen zu Handtüchern war nur 50 cm breit und das Leinen zu Säcken und Planen 58 cm.
So wurde früher der für den Hausgebrauch nötige Leinen oder Wollstoff im eigenen Hause hergestellt.
Bevor nun aus dem Leinen die Wäsche genäht wurde, musste es noch gebleicht werden.
Dazu wurde in einem großen Kessel Lauge aus reiner Buchenasche hergestellt.
In dieser Lauge wurde das Leinen gekocht, geboikt (geschlagen) und auf der abgeernteten Wiese zum Bleichen aus gespannt.
War es von der Sonne getrocknet, musste es anfangs mit der Gießkelle später mit der Gießkanne angefeuchtet werden.
Dadurch wurde es nach und nach weißer.
Um Diebstähle zu verhindern, schlief in einer kleinen Hütte bei der Bleiche ein Mann mit einem Wachhund.
Das habe ich selbst in jungen Jahren oft genug getan.
Da es früher hier in der Gegend nur wenig Verdienstmöglichkeiten gab, wurde das vielfach selbst hergestellt und nicht benötigte Leinen verkauft.
Um die Verkäufer vor Übervorteilung zu schützen und andererseits dem Käufer gute Ware zu garantieren errichtete die Regierung 1777 in Uslar eine Leinenkontrollstelle, eine sogenannte "Legge" ein, deren langjähriger Meister viele Jahre lang Wilhelm Heepe gewesen ist.
Auch die 1829 von der Regierung eingerichtete Musterbleiche in Sohlingen hatte die Aufgabe, den Sollingbewohnern bei der Herstellung einer guten Verkaufsware behilflich zu sein, damit der Handel gefördert würde.
Wissenswertes zur Dorfchronik von Karl Brümmer
Karl Brümmer war Lehrer in Offensen und hat die erste, bekannte Dorfchronik geschrieben.